Frau des Hauses, Köchin, Gouverneurin, Ikone der Romagna, gleichgestellt mit Bagnino, Piadina und Cappelletti!
Jeder in der Romagna kennt sie. Und wer sie nicht kennt, kann in diesem Artikel eine faszinierende und unverzichtbare Persönlichkeit entdecken.
Heute ist die Azdora eher ein kollektives Gedächtnis als eine lebendige Präsenz, eine Figur, die in den Geschichten der Älteren und in Gesten, die von der Mutter an die Tochter weitergegeben werden, überlebt. Der Wandel der Gesellschaft und die Entwicklung der weiblichen Rolle haben diese Figur zu einem kulturellen Symbol werden lassen, ohne jedoch ihre suggestive Kraft zu schmälern.
Und doch gibt es auf dem Land, in den Dörfern, in den Mauern mancher Häuser noch einige, die widerstehen, authentisch, konkret, wie lebende Relikte einer fleißigen und authentischen Romagna.
Diejenigen, die sie kannten, erinnern sich gut an sie. Immer auf den Beinen, immer beschäftigt, ihre Hände weiß vom Mehl, ihre Stimme fest, aber liebevoll. Eine starke, selbstbewusste, unermüdliche Präsenz.
Und wenn man sich das anschaut, sieht es aus wie aus einem Fellini-Film.
Azdora: Bedeutung und Rolle
Die azdora war viel mehr als eine "Hausfrau". Sie war die Reggitora, die Frau, die die gesamte Familienarchitektur aufrechterhielt. Der Begriff stammt aus der Romagnolo azdôroder derjenige, der regiert, der lenkt. Aber in der weiblichen Version bekommt es eine noch dichtere Bedeutung, denn die azdora hat nicht nur "gemacht", sondern regiertEr leitete den Haushalt, verwaltete die Ressourcen, gab Rhythmen und Regeln vor.
Das romanisch-italienische Wörterbuch von Libero Ercolani beschreibt sie als "diejenige, die den Vorsitz führt und regiert" - eine perfekte Zusammenfassung ihrer zentralen Rolle.
Wenn der Mann oft auf dem Land, auf dem Feld oder bei der Arbeit war, war sie diejenige, die für die Häuslichkeit sorgte, die Kinder aufzog, für alle kochte, sich um die Alten kümmerte und jeden willkommen hieß, der die Schwelle überschritt.
Es überrascht nicht, dass die Sprache ihre Spuren beibehält: die Verwendung des Artikels vor dem weiblichen Eigennamen - die Maria, die Catherine - ist ein Vermächtnis der Azdora, die als wichtige Figur im Haus und in der Gemeinschaft erkannt und anerkannt wird.
Doch nicht alle konnten zu Hause bleiben. Einige waren auch gezwungen, auf dem Feld zu arbeiten, und als Beweis für die Bedeutung dieser Frauen im Haus, die unersetzlich waren, wurde sogar ein Sprichwort geprägt:
Wenn die Azdôra auf das Feld geht, verliert sie mehr als sie gewinnt
(wenn die Azdora aufs Land geht, verliert sie mehr als sie gewinnt)
Hinter dieser scheinbar ironischen Formulierung verbirgt sich eine tiefe Wahrheit: Die Azdora hatte eine unersetzliche Rolle. Wenn der Mann Geld nach Hause brachte, war sie es, die seinen Wert vervielfachte: Sie wusste, wie man Geld ausgibt, wo man einkauft, wie man das Beste mit dem Wenigsten auswählt, wie man große Familien mit Einfallsreichtum und Weisheit ernährt.
Das Reich der Azdora: die Küche
Das pulsierende Herz ihrer Macht war die Küche. Mit dem Nudelholz in der Hand - einem treuen Begleiter im Kampf - prägte die Azdora die gastronomische Kultur der Romagna.
La Suppewie wir hausgemachte Nudeln nennen, war mehr als nur ein Nahrungsmittel: Es war ein Akt der Liebe, ein Test des Könnens, ein Symbol der Identität.
Seien Sie jedoch vorsichtig: nicht zu verwechseln mit sfoglinaobwohl die beiden Figuren oft übereinstimmen. Die azdora kochte aus der Not heraus, aus Liebe, für die Familie. Die sfoglina hingegen war diejenige, die Nudeln als Beruf herstellte, für andere.
Der Teig - mit Eiern, wenn es welche gab, ohne, wenn es keine gab - wurde dünn, aber rau ausgerollt, "matta" nannten sie ihn, eben wegen seiner Armut und Stärke. Er musste die Soße halten, auch mit wenigen Zutaten Körper und Geschmack geben. Es war die Küche der Würde, der Gerissenheit, der Unverwüstlichkeit.
Pasta aus der Romagna: ein Atlas der Formen und Geschmäcker
Diejenigen, die behaupten, die Romagna sei nur das Land der Piadina, liegen falsch. Unser Land ist ein Reich der Nudelformate.
Und dabei geht es nicht nur um Tagliatelle oder Cappelletti. Es gibt eine kulinarische Geografie zu erkunden, die sich in Jahrhunderten und Dialekten verliert:
- Tortelli
- cappelletti
- Ravioli
- Garganelli
- passatelli
- Tagliolini
- strozzapreti
- Suppen
- Gnocchi
- gnocchetti
...und dann sind da noch die verborgenen Schätze, die alten Namen, die von Armut und Einfallsreichtum erzählen:
- bigul (bigoli)
- curzul ('Schnürsenkel', Fastenzeit Nudelwasser und Mehl, perfekt mit Schalottensauce)
- jugétt (Witze)
- Täuschung
- malfattini
- maltagliati
- Mumps
- strichétt (Bänder)
- scrichètt
- qudrelli
- grobe Spoja (Raveggiolo 'schmutzige' Suppe)
- sbrofabérba
- tajadlòtt (einer der ärmsten, typischer Sommer)
- Wendepunkt
- zavardòn
Jeder Name ist eine Geschichte. Jedes Gericht, eine Welt. Und alles beginnt mit ihr, der Azdora.
Eine Figur, die es wiederzuentdecken gilt
Heute ist die Azdora eine Präsenz, die in der Erinnerung auftaucht, aber nicht verschwunden ist. Sie lebt weiter in den Gesten der Großmütter, im überlieferten Wissen, in den Sonntagsessen, in der Achtung der Traditionen.
Und vor allem ist sie ein Symbol für die Identität der Romagna: für ihre Stärke, ihr Know-how, ihre Konkretheit, ihre Herzlichkeit, ihre Gastfreundschaft.
Die Wiederentdeckung der Azdora bedeutet, ein Stück von uns wiederzuentdecken.